Der Schreibende als Dirigent seiner eigenen Partitur, ist jederzeit in der Lage, das Geschehen zu koordinieren. Er lässt den Zauber des Anfangs wirken, bringt Worte in Bewegung und seinen Text zum Klingen. Am Ende stellt sich nur die Frage: Ist tatsächlich alles gesagt? Alle Zuwendung steht und fällt mit ihm: dem ersten Satz. Denn für den ersten Eindruck gibt es bekanntlich keine zweite Chance. Ob langweilig oder abstoßend, der Leser ist verloren, zappt sich weiter im reichhaltigen Programm. Wer aber mit einem guten Einfall Aufmerksamkeit ergattern will, hat dafür etwa 20 Sekunden lang – oder 350 Anschläge – Zeit, seine Leser zu packen.In Amerika bezeichnet man diese Zeitspanne auch „Elevator Check“. Dabei stellt man sich vor, man hat 20 Sekunden Zeit, seinen Boss im Lift von einer Sache zu überzeugen. Gelingt es, hat man sich das Weiterlesen erspielt und die Aufmerksamkeit auf seinen Text gelenkt. Aber Vorsicht, dass nach der Ouvertüre der Leser nicht andernorts wieder abhanden kommt.
Langeweile scheint der schlimmste Feind des Schreibers zu sein. Dass ein Text nicht fade wirkt, hängt nicht allzu selten von seiner immer gleichen Satzstellung ab. Wer stets mit dem Subjekt beginnt, das Prädikat hinterherschickt und das Objekt dranhängt, klingt bald monoton. „Der Leser schläft bald ein.“ „Herr Müller gähnte schon beim ersten Absatz.“ Kein Wunder. Eine Abwandlung dieses sehr häufigen Satzbaumodells bringt Bewegung in den Text. Unbedenklich als Satzanfang: die Inversion, die schlicht das Subjekt mit dem Prädikat tauscht. „Somit klingt mein Text wesentlich abwechslungsreicher.“ Diese deutsche Besonderheit bringt in Hauptsätze eine schöne Satzmelodie und ist so weder im Englischen noch Französischen zu finden. Noch mehr Leben kommt mit der Ausdrucksstellung in den Text. Der Satz beginnt mit einem Verbum. „Gewonnen hat man Spannung und Aufmerksamkeit.“ So bleibt der Text beweglich und der Leser hoffentlich gefesselt.
Sieben Möglichkeiten haben wir zur Verfügung, die besondere Melodie der mündlichen Rede in das Geschriebene einzubringen: mit den sieben Satzzeichen. Doch wer heute nur mit Kommas und Punkten arbeitet, ignoriert nicht nur fünf Töne seiner Tonleiter, sondern scheint an Lesern nicht ernsthaft interessiert. Sind nicht Rufzeichen das beste Mittel, dösende Leser wieder wachzurütteln. Das Fragezeichen ist selbsterklärend das einzige Satzzeichen, die Stimme ordentlich zu erheben. Finden Sie nicht? Und der Doppelpunkt ist eben ein Muss der Grammatik, will man seinen Worten etwas folgen lassen, wie zum Beispiel: viele gute Gründe! Das Stiefkind der Satzzeichen ist mit Sicherheit der Semikolon; er ist dennoch zu empfehlen. Der Gedankenstrich hingegen kommt häufiger ins Spiel, wenn ein Gedanke noch nicht ganz zu Ende ist – dem Leser aber ein Zwischenatmen kurz erlaubt sei. Besonderes aufpassen sollten jene, die Punkte dort setzen, wo sie nicht das Ende des Satzes signalisieren. Sie könnten schnell als Anlass zum Aufhören genommen werden.
Wer gelesen werden will, sollte seine Worte auf die Waagschale legen. Leute, die nichts zu sagen haben gibt es genug und der Leser ist aus Prinzip ungeduldig. Gegen so manche Würzwörter wie nämlich odereigentlich ist nichts einzuwenden. Doch wenn alles gesagt ist, sollten wir uns nicht davor scheuen, dem Text ein Ende zu setzen und den Willen dazu aufbringen, unsere Leser zu entlassen. Denn zu oft schreiben wir mehr, als sich unsere Leser wünschen.